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letzte Änderung:03.01.2011
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Perspektiven der Rüstungsindustrie in Deutschland

Manuskript für Friedensform 2/2000

Entmythologisierung eines Filzgiganten

Mindestens zwanzig Jahre waren große Teile der Friedensbewegung scheinbar plausiblen pseudo-marxistischen Sichtweisen des rüstungsindustriellen Sektores in der Bundesrepublik aufgesessen. Dem sogenannten militärisch-industriellen Komplex (MIK) wurde eine gefährliche Einflußnahme auf die Politik unterstellt. Eine schwer kontrollierbare Verfilzung von Rüstungsindustrie und Politik erlaubte nach dieser Auffassung die Realisierung au§erordentlicher Profite und förderte zudem das gefährliche Wettrüsten. Daß die deutsche Großindustrie konspiriert hatte, um Hitler an die Macht zu bringen, machte die unterstellten Machenschaften des "Rüstungskapitals" scheinbar plausibel. Da diese Sichtweise zugleich nützlich war, um politisch gegen das aberwitzige Wettrüsten mit der Sowjetunion zu mobilisieren, verfestigte sich ein Bild des MIK, das nicht den ökonomischen Fakten entsprach, die die Entwicklung der Rüstungsindustrie bestimmten.

Komplementär hierzu gelang es der politischen Lobby der Rüstungsindustrie von sich ein Bild eines leistungsfähigen, innovativen Hochtechnologiesektors zu zeichnen. Daraus wurde die Notwendigkeit einer umfassenden staatlichen Förderung der deutschen Rüstungsindustrie zur Aufrechterhaltung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der gesamten deutschen Industrie abgeleitet. Ständig wurde auf den vorgeblich bedrohlichen Tatbestand verwiesen, daß man hinter den USA, Frankreich und Großbritannien bei den Rüstungsausgaben und besonders bei den Aufwendungen für militärische Forschung gefährlich weit zurückliege. Daß vor allem Großbritannien trotz oder gerade wegen seiner weit überdurchschnittlichen Ausgaben für Rüstung und militärische Forschung der große industrielle Verlierer in Europa war, fand wenig Beachtung in der politischen Diskussion.

Tatsächlich aber handelte es sich bei der deutschen Rüstungsindustrie bereits während des Kalten Krieges um ein zwar von Politikern umhegtes, aber gleichzeitg sehr differenziertes Konglomerat von Unternehmen, deren Verhältnis zur Rüstungsproduktion sehr unterschiedlich war. Im Gegensatz zu Frankreich und Großbritannien, und selbstredend auch den USA, hat die Bundesrepublik keine zentralisierte staatliche Rüstungsforschung betrieben. Ansätze hierzu hatte es zwar auf niedrigem Niveau in den sechziger Jahren gegeben, als verschiedene Fraunhofer-Institute vom Verteidigungsministerium ihre wesentlichen Aufträge erhielten. Ab 1970 jedoch reduzierte sich der Anteil militärischer Forschung bei der Fraunhofer Gesellschaft kontinuierlich. Gleichzeitig war es erklärte ökonomische Doktrin verschiedenster Bundesregierungen, daß die Herstellung von Rüstungsgütern vorrangig als privatwirtschaftliche Aufgabe anzusehen sei.

Aufgrund alliierter Verbote kam deutsche Rüstungsfertigung erst in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre wieder in Gang. Unter der Regie von F.J.Strauß landeten unverhältnismäßig viele Aufträge in Bayern, was dort zu einer Entwicklung von stärker rüstungsabhängigen Industrien geführt hat. Diese Strukturen haben sich politisch dahingehend verfestigt, daß die Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages der CSU angehörten und zumeist den Wahlkreis Ottobrunn (Standort von MBB) vertraten. Bis zum Ende de Kalten Krieges konnte man geradezu von einem "bayerischen" Unternehmenstypus in der Rüstungsfertigung sprechen. Diese z.T. eher mittelständigen Firmen waren darauf ausgerichtet, "Anschlußaufträge von der Bundeswehr" zu erhalten. Im sicheren Dunst der militärischen Geheimhaltung entwickelte sich politisch-industrieller Filz, der Einfluß auf viele Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr gewann und sich vor allem mit der Münch-Verlagsgruppe ein anzeigenfinanziertes politisch-ideologisches Sprachrohr schuf.

In den neunziger Jahren hat sich die deutsche Großindustrie weitgehend aus der Rüstungsfertigung zurückgezogen. Nur dort, wo die Rüstungsfertigung deutliche Synergieeffekte für die zivile Produktion der Konzerne zeitigt, engagiert sie sich weiter, Beispiel: Daimler-Chrysler (DASA). Ebenso sang- und klanglos, wie sich viele Unternehmen aus dem mittlerweile mageren Rüstungsgeschäft verabschiedet haben, ist die Mönch-Verlagsgruppe auf ein bescheidenes Refugium für ewig Gestrige geschrumpft. Aus monatlichen Zeitschriften sind Vierteljahrespublikationen in unzuverlässiger Erscheinungsweise geworden, die seit Jahren in ihren englischen Ausgaben von Exportanzeigen der verzweifelt um Exportaufträge kämpfenden russischen Rüstungsindustrie zu leben scheinen. Zahlreiche Rüstungszeitschriften sind gänzlich verschwunden.

Luftfahrtindustrie

Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie war in den Jahren absoluten Verbotes nach 1945 technologisch soweit zurückgefallen, daß man der Bundeswehr keine Luftrüstungssysteme aus eigener Entwicklung anbieten konnte. An vielen Produktionsstandorten aus der Vorkriegszeit etablierten sich zwar zahlreiche Unternehmen neu. Aber über viele Jahre mußten sie sich durch Lizenzfertigung und später internationale Koproduktionen wieder an das internationale Technologieniveau heran arbeiten. Hierzu waren umfangreiche staatliche Zuschüsse notwendig. Erschwerend kam hinzu, daß konkurrierende Interessen der verschiedenen Bundesländer, die sich in Subventionierung und Übernahmen des Kapitals niederschlugen, lange der gebotenen Konsolidierung der breit gestreuten Luftrüstungsindustrie widersetzten. Erst Ende der achtziger Jahre gelang es in einem politischen Kraftakt, den wesentlichen Kern der deutschen Luftrüstungsindustrie unter dem unternehmerischen Dach von Daimler Benz zu konsolidieren.

Trotz teilweise erheblicher Forschungs- und Entwicklungssubventionen war es der deutschen Luftrüstungsindustrie zu keinem Zeitpunkt gelungen, sich mit eigenständig entwickelten Produkten auf dem nationalen oder internationalen Märkten durchzusetzen. Bei den großen, in meist multilateraler Koproduktion entwickelten Systemen, wie zum Beispiel der MRCA Tornado oder zuletzt dem Eurofighter, gab es für MBB bzw. DASA und MTU immer noch Teilbereiche, in denen man nachholend das jeweilige Projekt nutzte, um Kompetenzlücken gegenüber den Partnern zu schließen. Das kostentreibende Prinzip "juste retour" (gerechter Ausgleich), das in allen Koproduktionen gilt, erlaubt es,* hohe Lernkosten auf nationaler Ebene in die Gesamtkosten einzubringen. Kritische Beobachter sprechen von der Regel der geringsten Kompetenz bei der Vergabe von Teilaufträgen unter den beteiligten Nationen. Diese Ineffizienz militärischer Projekte hatte zunächst den Hintergrund, daß die jeweils beteiligten Staaten ihre Unternehmen um jeden Preis fördern wollten. Hierbei hat sich das Interesse auf die zivile Luftfahrtindustrie verlagert. Die scharfe Konkurrenz mit der amerikanischen Luftfahrtindustrie hatte zu einem Subventionswettlauf geführt, den man durch die Vereinbarung von Obergrenzen staatlicher Zuschüsse für Forschung und Entwicklung eingedämmt hat. Militärische Projekte werden von diesem Abkommen nicht erfaßt. Daher hat sich die Subventionskonkurrenz auf militärische Projekte verlagert. Der militärisch kaum mehr benötigte Eurofighter dürfte daher vor allem als verdeckte Subvention der zivilen Luft- und Raumfahrtindustrie überlebt haben.

Inzwischen ist die länderübergreifende Konsolidierung der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie weit vorangeschritten und wird in diesem Jahr mit EADS bereits die Form eines eigenständigen Unternehmens annehmen. Sie wurde durch einen lange anhaltenden Boom der zivilen Flugzeugmärkte begünstigt und durch die Megazusammenschlüsse in den USA beschleunigt. Ohne Zweifel wird sich die Luftrüstungsindustrie dem Sog der imperativen zivilen Konsolidierung nicht entziehen können, was die nationalen Netzwerke des politischen Filzes, die bislang das Beschaffungswesen bestimmt haben, langsam entwertet bzw. ihre sehr viel kompliziertere multilaterale Rekonstruktion auf europäischer Ebene erfordert.

Heeresrüstung

Im Gegensatz zur Luftrüstung konnten deutsche Rüstungsunternehmen nach einigen Anlaufschwierigkeiten an den Entwicklungsstand bei Ende des Krieges anknüpfen und sich auch auf europäischen Exportmärkten etablieren, Beispiele gepanzerte Fahrzeuge, automatische Gewehre und Geschütze. Einige Unternehmen hatten sich produktnah (z.B. schwere LKW, Dieselmotoren) auf zivilen Märkten etabliert. Heckler & Koch hatte seine Techniker nach Spanien (Santa Barbara) ausgelagert und dort ein Gewehr zum G-3 weiterentwickelt. Ein Sonderfall stellt die Firma Rheinmetall dar, die von der Röchling Familie mit der für die Enteignungen im Saarland gezahlten Entschädigung aus Staatsbesitz erworben und zielstrebig wieder zu einem Spezialunternehmen für Heeresrüstung ausgebaut wurde. Allerdings beginnen die ersten Unternehmen bereits in den siebziger systematisch in zivile Bereiche zu diversifizieren. Zudem bestand die Stärke der deutschen Industrie für Heeresrüstung im Vergleich zu Frankreich und Großbritannien in einer starken Verschränkung mit ziviler Produktion auf der Ebene der Komponenten. Beispiele: UNIMOG als Grundlage für gepanzerte Fahrzeuge, Getriebe (Renk), luftverlastbarer Kleinpanzer mit VW-TDI Motor. Die vertikale Integration militärischer Produktion und damit ausschließlicher militärischer* Spezialisierung war geringer.

Seit Wegmann 1999 die Systemführerschaft beim Leopardpanzer übernommen hat, sind die traditionellen deutschen Stahlunternehmen sämtlich aus dem Rüstungsgeschäft ausgestiegen. Heckler & Koch war dem Konkurs nahe, wurde von Royal Ordnance (Britisch Aerospace Systems) übernommen, steht aber inzwischen wieder zum Verkauf. Die übrige Heeresrüstungsindustrie wurde weitgehend unter dem Dach von Rheinmetall konsolidiert (Kuka, IWKA, MAK, Krupp-Atlas Elektronik u.a.m.). Die Konsoldierung und Konzentration bei Rheinmetall zielt aber eindeutig auf den europäischen Rüstungsmarkt. Rheinmetall hat niederländische Munitonsfirmen und 1999 die militärische Fertigung von Oerlikon-Bührle mit Fertigungsstätten in der Schweiz, Italien und Frankreich übernommen.

Marineindustrie

Sieht man einmal von der lange Zeit international marktbeherrschenden Stellung der deutschen Werften beim Bau konventioneller U-Boote ab, so handelte es sich beim Bau größerer Kriegsschiffe zumeist um gezielte regionalwirtschaftliche Strukturhilfen und verdeckte Subventionen zur Aufrechterhaltung der deutschen Werftindustrie. Bei der Vergabe von Aufträgen für ein Baumuster wurden regelhaft zahlreiche Werften berücksichtigt, so daß die Kostenvorteile, die sich aus einer fallenden Lernkostenkurve ergeben, vom Auftraggeber nie angestrebt wurden. Die gewünschten strukturpolitischen Effekte des Marineschiffbaus schlugen sich von Anfang an in einer äußerst großzügigen Exportgenehmigungspraxis nieder.

Allerdings wurden die politischen Absichten, regionale Wirtschaftspolitik durch Marineschiffbau zu betreiben, von technologischen Entwicklungen unterlaufen. Der werftseitige Anteil an der Wertschöpfung sank kontinuierlich und dürfte inzwischen unter 30 % gefallen sein. Die internationale Spezialisierung im Bereich von Marineelektronik bedeutete zudem, daß erhebliche Wertschöpfungsanteile importiert werden mußten (u.a. Holl.Signaal-Thomson).

Ein interessanter Aspekt der Marineindustrie ist, daß die erfolgreichsten Exporteure von Überseeschiffen (Blohm & Voß und Lürssen) jeweils mit Schiffstypen weltweit Märkte erobert haben, die nicht aus subventionierten Beschaffungsvorhaben der Bundesmarine hervorgegangen sind. Vielmehr handelt es sich bei den erfolgreichen Meko-Fregatten und Schnellbooten von Lärssen um eigenständige Entwicklungen, die aus der Anwendung ziviler Konstruktionsprinzipien hervorgegangen sind. Sie sind somit frühe Beispiele eines erfolgreichen "spin-in" ziviler Technologien in die Rüstungsfertigung.

Technologische Entwicklungstrends

Sieht man einmal von einigen Hypertechnologien ab, wie sie nur noch in den Vereinigten Staaten mit großem finanziellen Aufwand entwickelt werden, so zeichnet sich im Kontext einer rasanten Integration von Märkten immer deutlicher ab, daß von der zivilen Industrie vorangetriebene Innovationen den technischen Fortschritt bei Produkten und Produktionsverfahren bestimmen. Die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen weltweit operierender Konzerne übersteigen seit langem die militärischen Forschungsbudgets um ein Vielfaches. Leistungsfähige Entwicklung von Rüstungsgütern setzt daher in immer stärkerem Maße den Rückgriff auf zivile Komponenten voraus, z.B. Chips und spezielle Werkstoffe. Dies bedeutet, daß das Zeitalter großer vertikal integrierter Rüstungskonzerne vorüber ist. Rüstungsproduzenten sind weitgehend zu Unternehmen geworden, die sich auf die Integration von Systemen aus überwiegend zivilen Komponenten verstehen. Für die extrem vertikal integrierte Rüstungsindustrie Rußlands zum Beispiel, die zu keinem Zeitpunkt auf eine entwickelte, innovative Zivilindustrie zurückgreifen konnte, ist eine Umstellung auf das neue Paradigma kaum zu leisten, nicht zuletzt weil sie nicht über die notwendigen Mittel und nach zehn Jahren des Wandels noch immer nicht über die notwendigen Marktzugänge verfügt.

Rolle der Rüstungsexporte

Besonders in den Bereichen Heeresrüstung und Marineschiffbau waren die Exporte für die betreffenden Unternehmen von einiger Bedeutung. In den meisten Fällen war die Absicherung der Exportkredite durch den Steuerzahler in der einen oder anderen Weise Geschäftsvoraussetzung. Bei Exporten innerhalb der NATO wurden häufig dubiose Handelskompensationen vereinbart. Im Falle zahlungsfähiger Nachfrage nach deutscher Rüstung wurden Exportgenehmigungen selten verweigert, obwohl die Industrie immer über restriktive Exportregeln klagte. Geographisch gesehen gab es Exporttabus im Umfeld von Israel und im Falle von Taiwan (U-Boote). Ansonsten sind politische Empfindlichkeiten durch Lizenzvergaben ( G-3, Panzer an das argentinische Militärregime) umgangen worden. Für Länder, die eine eigene Rüstungsindustrie aufbauen wollten, war die Bundesrepublik als größtes Hersteller- und Exportland von Industrieanlagen und Werkzeugmaschinen immer erste Adresse. Aus diesem Grunde ist es in diesem Bereich auch zu vielen kriminellen Verstößen gegen bestehende Exportregeln (z.B. Giftgasfabrik nach Lybien, schweres Wasser nach Pakistan etc.) gekommen. Schließlich sind die umfangreichen Lieferungen von gebrauchten Rüstungsgütern zu nennen, die mit der Auflösung der NVA großen Umfang angenommen haben. Für die Rüstungsindustrie sind diese Aktivitäten eher nachteilig, denn sie verstopfen potentielle Märkte.

Zur Einschätzung der weiteren Entwicklung ist festzuhalten, daß zahlungsfähige Exportkunden äußerst rar geworden sind. Diese wenigen Länder sind fest im Griff der amerikanischen und im Falle Saudi Arabiens auch der britischen Rüstungsindustrie. Es kommt noch hinzu, daß der internationale Markt voller Angebote von generalüberholten und modernisierten Waffensystemen und russischen Dumpingangeboten ist. Für die privatwirtschaftlich verfaßte deutsche Rüstungsindustrie, die in einem Hochlohnland fertigt, gibt es da wenig zu verdienen. Aus unternehmerischer Sicht wird man sich da auf die Umrüstung der europäischen NATO-Streitkräfte für "humanitäre Interventionen out-of-area" konzentrieren müssen. Auch die hochtrabenden Pläne der türkischen Streitkräfte 1000 neue Panzer, Hubschrauber, Kampfflugzeuge und anderes mehr, werden sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten reiben und zu kleinen Brötchen werden, die ohne finanzielle Garantien des deutschen Steuerzahlers nicht erworben werden können. Der Rüstungsmarkt ist in einem solchen Maße zum Käufermarkt geworden, daß man in ihm nur Erfolg haben kann, wenn man mit erheblicher krimineller Energie die verlangten Bestechungsgelder zahlt und/oder der Lieferstaat letztlich die Finanzierung des Geschäftes übernimmt. Man schätzt, daß das Schmiergeld regelhaft zwischen 10 und 20 Prozent der Auftragssumme liegt.

Ausblick

Kriegerische Konflikte werden derzeit überwiegend in den ärmsten Ländern der Welt mit Kleinwaffen ausgetragen. Die traditionellen Militärapparate stehen dieser Entwicklung hilflos gegenüber, obwohl an sie zunehmend Anforderungen von der Politik gestellt werden, Mittel für humanitäre und konfliktschlichtende Einsätze in solchen Regionen bereit zu halten. Aus diesem Anforderungsprofil ergeben sich Forderungen nach technisch neu gestalteter Ausrüstung. Dieser Ausrüstungstrend für Out-of-area bedeutet Nachfrage nach Mitteln zur umfassenden, präventiven Aufklärung und Informatisierung verbunden mit einer Tendenz zu schwerem Polizeigerät. Hinzu kommen neue logistische Anforderungen, u.a. militärische Transportflugzeuge. Es ist davon auszugehen, daß sich die privatwirtschaftlich strukturierte Rüstungsindustrie in Deutschland auf diese Nachfrage in einem Prozeß der Konsolidierung im europäischen Maßstab orientieren wird und bei nicht mehr gegebener Wirtschaftlichkeit traditionelle Betätigungsfelder aufgeben wird. Der Gestaltungsrahmen hat sich eindeutig auf Europa verlagert, auch wenn die Veränderungen in anderen europäischen Staaten mit einer stärkeren Rolle des Staates, wie z.B. Frankreich, sich langsamer vollziehen werden.

Bei dem Versuch ihre nationale Gestaltungsmacht zu verteidigen, sprechen deutsche Politiker pausenlos von einem vorgeblichen Investitionsstau bei der Bundeswehr. Diesen Stau gibt es aber nicht wirklich, wenn sich die Bundeswehr nur endlich von allem Ballast der früheren Doktrin befreien und auf die zukünftigen Aufgaben konzentrieren würde. Aber davor stehen vielfältige, tief eingegrabene Interessen und bürokratische Routinen, Bürgermeister, die die Schließung von Standorten verhindern wollen. Nur eine breite ergebnisoffene politische Diskussion darüber, wieviel Militär, in welcher multi-nationalen Verankerung unser Land braucht*, kann uns da weiterbringen. Auch die Friedensbewegung hat sich darauf noch nicht hinreichend eingelassen. Sie starrt ein wenig wie das Kaninchen passiv auf die Ergebnisse, die die sogenannte Zukunftskommission noch in diesem Jahr vorlegen wird. Eine eigene, realitätstüchtige Vision hat sie noch nicht entwickelt. Hierzu ist es höchste Zeit, mit raus aus der NATO allein ist es nicht getan. Denn sonst haben diejenigen das Wort, die einem militärischen Wettlauf Europas mit dem unakzeptablen Weltbeherrschungsarsenal der USA das Wort reden.