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letzte Änderung:03.01.2011
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Überfällig: Steuer auf Munition

Die Bundesregierung hat beschlossen, die Steuer auf Tabakwaren zu erhöhen, um die Subventionierung energieintensiver industrieller Produktion fortzusetzen. Zusätzlich zur fiskalischen Zielsetzung, die Staatseinnahmen zu erhöhen, verbindet sich mit der Tabaksteuer ein Interesse des Staates, den sozial unerwünschten Konsum von Tabak zu senken und wenigstens einen Teil der Kosten, die für das Gesundheitssystem durch das Rauchen entstehen, den Verursachern anzulasten.

Derartige demeritionale Steuern wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als staatliches Steuerungsinstrument eingeführt, um auf sozial unerwünschten Konsum oder die individuelle Vernutzung von Allgemeingütern mäßigend Einfluss zu nehmen. Die Liste derartiger Steuern  ist lang: Tabak, Branntwein, Bier, Kaffee, Tee, Schaumwein, Zucker, Getränke, Salz, Zündwaren, Hunde, Abwasser, Glückspiele, Spielkarten und Vergnügen, Jagd u.a.m[1]. Neuerdings wird das Instrument demeritionaler Steuern in verschiedenen Staaten weiterentwickelt. Ein anschauliches Beispiel ist in Dänemark die bevorstehende Einführung einer Fettsteuer aus gesundheitspolitischen Überlegungen, die proportional zum Fettgehalt von Lebensmitteln erhoben werden soll.

Die Erhebung demeritionaler Steuern wird vor allem dann erwogen, wenn eine bestimmte soziale Praxis mit Schäden verbunden ist, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen und ein Verbot voraussehbar lediglich nicht kontrollierbaren Konsum oder Verhalten kriminalisieren und die Verfolgung der zu Straftaten gemachten sozialen Praxis unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde. In solchen Fällen kommt eine Besteuerung als staatliches Instrument der Regulierung in Frage. Denn Verbote bedeuten immer eine schwerwiegende Beschränkung individueller Freiheitsrechte, die nur bei gravierenden Beeinträchtigungen des Gemeinwohls zu rechtfertigen sind und zudem muss tatsächlich eine realistische Chance auf Durchsetzung eines Verbotes bestehen.

Der in Deutschland staatlich regulierte Besitz von Schusswaffen und deren Nutzung generiert vielfältige Folgekosten, die von der Allgemeinheit getragen werden. Der Munitionsverbrauch ist ein ungefährer Parameter des Gebrauchs von Schusswaffen. Schießen erzeugt unterschiedliche Kollateralschäden. Die Umwelt wird sowohl chemisch als auch akustisch belastet. Lokal konzentrierter Gebrauch von Schusswaffen auf Schießplätzen führt meist zu nachhaltigen Schädigungen des Bodens. In sehr seltenen Fällen führt der Gebrauch von Munition zu außerordentlichen Schadensereignissen. Nicht selten sind daran Personen beteiligt, die keine Waffenbesitzkarte nachweisen können. Somit handelt es sich um illegale Waffen und Munition. Für entstandene Schäden muss häufig der Staat aufkommen, weil das Vermögen des Verursachers die Schäden nicht deckt, oder aber die Geschädigten gehen leer aus.

In Fällen des missbräuchlichen Gebrauchs von Schusswaffen stammen Waffe und Munition regelmäßig aus einem ursprünglich legalem Erwerb. Schuldhaftes Verhalten des ursprünglichen legalen Waffen- bzw. Munitionsbesitzers ist nur in ganz seltenen Fällen nachzuweisen. Dennoch sollte der Staat sicherstellen, dass alle entstehenden gesellschaftlichen Kosten durch eine demeritionale Steuer auf Munition von den legalen Schusswaffenbesitzern aufgebracht werden. Eine zielgenau austarierte, unterschiedliche Anwender (Jäger, Sportschützen) von Munition berücksichtigende Steuer auf Schusswaffenmunition würde zunächst einen kostenbewussten Umgang mit Munition befördern. Durch die wahrscheinliche Minderung des Volumens privat vorgehaltener Munition würde sich das Risiko der ungewollten Alimentierung des Schwarzmarktes reduzieren. Denn derzeit wird Munition in unverhältnismäßigen Mengen von den Waffenbesitzern vorgehalten. Dies ist legal, erhöht aber das Diebstahlsrisiko und damit eine Alimentierung des Schwarzmarktes, zumal, im Gegensatz zu hoheitlichen Schusswaffen bei Polizei und Militär, ein Verwendungsnachweis der Munition nicht erbracht werden muss.

Es ist zu erwarten, dass die verschiedenen Interessenverbände der Schusswaffenbesitzer massiven Widerstand leisten werden, sobald das Projekt einer Munitionssteuer als Gesetzesinitiative auf der politischen Bühne sichtbar wird. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass man sich bei genauer Betrachtung der bestehenden demeritionalen Steuern eher wundern muss, dass bisher auf Munition keine Steuern erhoben wurden. Denn es werden sogar auf Hunde Steuern erhoben. Sie beeinträchtigen die Umwelt in ähnlicher Weise wie Munition, nämlich chemisch (Kot) und akustisch (Bellen) und gefährden in seltenen Fällen die Gesundheit Dritter.

Inzwischen sind Hundehalter zusätzlich zur Steuer bei Strafe gehalten, den Kot zu entsorgen und durch die Pflicht zu einem Hundeführerschein (zumindest in Hamburg) das Bellen zu kontrollieren und andere Gefährdungen zu minimieren. Jäger hingegen sind nicht gehalten, das giftige Blei zu entsorgen, das häufig Eingang in die Nahrungskette findet. Auch was die extremen Risiken (Personenschäden durch Hunde und Schusswaffenmissbrauch) angeht, sind die Parallelen zwischen Hunden und Munition frappierend. Dennoch werden Hunde "demeritional" besteuert, während auf Munition keine Steuer erhoben wird.  Es spricht also vieles dafür und liegt im Interesse der Allgemeinheit, Munition, die von privaten Waffenbesitzern erworben wird, angemessen zu besteuern.

Peter Lock

Fußnoten

[1] Eine umfassende Auflistung derartiger Steuern mit ihrer Entstehungsgeschichte findet sich unter dem Stichwort Aufwandsteuern im Handwörterbuch des Kaufmanns, Hamburg 1925 S.221-229. Zur steuerpolitischen Problematik von Steuern auf spezielle Güter, Dienste und Rechte siehe die ausführliche Kemmentierung im Handwörterbuch der Finanzwissenschaft, Karl-Heinrich Hansmeyer, Steuern auf spezielle Güter, S.712-880.